Matthias Will, Wirtschaftsredakteur des Nordbayerischen Kuriers, führte ein Interview mit Michael Hampel zu aktuellen Themen wie den Baby-Boomern, den Konflikten zwischen Jung und Alt sowie der Generation Z.
Das Gespräch erschien am 26.09.2024 in der Rubrik ‚Regionale Wirtschaft‘ im Nordbayerischen Kurier. Klicken Sie hier, um zum Interview auf der Webseite des Nordbayerischen Kuriers zu gelangen.
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Es gibt viele Klischees und Vorurteile über Baby-Boomer und die Generation Z
Interview „Es gibt viele Klischees und Vorurteile“
Michael Hampel hat ein Buch darüber geschrieben, wie Unternehmen Fachkräfte sichern können. Unsere Redaktion sprach mit dem Bayreuther Berater über Baby-Boomer, Konflikte zwischen Jung und Alt und die Generation Z. Manche Aussage dürfte überraschen.
Bayreuth
Schon jetzt haben es zahlreiche Unternehmen schwer, Fach- und Nachwuchskräfte zu gewinnen beziehungsweise zu halten. Doch es zeichnen sich auch künftig gewaltige Herausforderungen ab. Denn die geburtenstarken Jahrgänge der Baby-Boomer-Generation verabschieden sich in den nächsten Jahren aus dem Berufsleben. Höchste Zeit für die Wirtschaft, sich darauf vorzubereiten, sagt der Bayreuther Unternehmensberater Michael Hampel im Interview mit unserer Redaktion:
Herr Hampel, die Baby-Boomer-Generation geht nach und nach in Rente. Wie groß sind die Lücken, die sie in den nächsten Jahren bei den Unternehmen hinterlässt?
Die werden schon allein aufgrund der Demografie enorm sein. Denn der Wirtschaft fehlen schon jetzt Fach- und Nachwuchskräfte. Das ist eine große Herausforderung. Umso wichtiger ist es, dass jetzt die Weichen gestellt werden, um sich darauf vorzubereiten.
Bevor wir über mögliche Maßnahmen sprechen: Was zeichnet die Baby-Boomer in der Arbeitswelt aus?
Zum einen das enorme Know-how, das sie sich in vielen Berufsjahren angeeignet haben. Das gilt grundsätzlich für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sämtlicher Branchen, aber besonders in speziellen Berufen, die heute nur noch in geringen Maß ausgebildet werden, wie etwa Textilweber, um nur ein Beispiel zu nennen. Zum anderen verfügen sie über große Erfahrung. Das ist ungemein wertvoll, weil sich daraus eine praktische Problemlösungskompetenz ergibt, die sich junge Menschen im Laufe ihres Berufslebens erst aneignen müssen.
Jetzt zu den Maßnahmen. Was können Unternehmen tun?
Eine Möglichkeit ist es, das große Fachwissen der Älteren zu digitalisieren, bevor sie aus dem Berufsleben ausscheiden. Man kann beispielsweise fachliche Erklärvideos produzieren, die dann innerhalb des Unternehmens zur Verfügung gestellt werden. Man schafft also digitale Aus- und Weiterbildungsplattformen. Das würde nicht nur Nachwuchskräften, sondern etwa auch neuen ausländischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern helfen, sich einzuarbeiten. Leider hinken wir bei solcher digitalen und KI-basierten Wissensvermittlung im Arbeitsleben in Deutschland ziemlich hinterher.
Ein weiterer Schritt wäre es, zu verhindern, dass Baby-Boomer vorzeitig in Rente gehen. Leider hat die Politik diesbezüglich Anreize wie die Rente mit 63 geschaffen, die nicht förderlich waren und sind. Unternehmen können dazu aber selbst einen wichtigen Beitrag leisten, indem sie das Umfeld für ältere Mitarbeiter so gestalten, dass sie möglichst lange Lust auf Arbeit haben. Dazu gehört auch die verstärkte Nutzung von Teilzeit. Die Wertschätzung von älteren Arbeitnehmern muss zentraler Bestandteil der Unternehmenskultur sein. Das gilt selbstredend natürlich für alle Mitarbeiter.
Und ich würde sogar dafür plädieren, dass Unternehmen ehemalige Mitarbeiter gezielt aus dem Ruhestand zurückholen. Davon würden beide Seiten profitieren.
Inwiefern?
Für die Älteren ist das ein Signal, dass sie noch gebraucht werden. Es gibt viele, die auch als Rentner noch topfit sind und sich einbringen möchten. Es gibt den sogenannten Großelterneffekt. Das bedeutet, dass die Älteren im Umgang mit jungen Mitarbeitern oft nach dem eigentlichen Arbeitsleben gelassener und geduldiger umgehen, wie Großeltern eben mit ihren Enkelkindern. Damit können Sie auch für bestehende Ausbilder eine Vorbildfunktion übernehmen. Sie haben im Laufe ihres langen Berufslebens gelernt, mit schwierigen Situationen umzugehen. Mit ihrer Kompetenz und Erfahrung, aber auch Übersicht und Geduld können sie bei der Ausbildung des Nachwuchses eine wichtige Funktion übernehmen.
Aber es wird doch viel von Generationskonflikten auch in der Arbeitswelt geklagt. Die Generation Z (Geburten-Jahrgänge 1995 bis 2010 ) ist bisweilen schwer in der Kritik.
Ach, das kennen wir doch. Seit den alten Griechen wird über die junge Generation geschimpft. Es gibt Zitate von Sokrates bis Platon, in der über die angebliche Faulheit, Respektlosigkeit und Verdorbenheit der Jugend geklagt wird. Generationskonflikte sind also bei Weitem kein neues Phänomen. Die aktuellen Klagen über die Generation Z, die vermeintlich wenig Lust auf Arbeit hat und undiszipliniert ist, halte ich für verfehlt. Bei der Diskussion gibt es viele Klischees und Vorurteile. Der Soziologie-Professor Martin Schröder kommt zu einem höchst interessanten Befund.
Nämlich?
Ihm zufolge belegen Metastudien, dass die Einteilung in Generationen und eine vermeintlich damit einhergehende Einstellung empirisch nicht haltbar sind. Er räumt also mit der Vorstellung auf, dass man die Werte, Einstellung und Haltung von Menschen durch ihr Geburtsjahr erklären kann. Es sind demnach also immer Individuen, die sich unterscheiden, der Zeitgeist, der Menschen aller Generationen beeinflusst, aber nicht pauschal ganze Alterskohorten.
Das bedeutet mit Blick auf die Generation Z, dass es nicht zuletzt durch die mediale Berichterstattung ein verzerrtes Bild in der Öffentlichkeit gibt. Das deckt sich übrigens mit meiner Wahrnehmung. Natürlich gibt es junge Menschen, die Probleme haben, im Berufsleben Fuß zu fassen, aber es gibt auch hochgradig engagierte, fleißige und zielstrebige Vertreterinnen und Vertreter der Generation Z. Das ist ebenfalls in jeder Generation zutreffend. Ein Erfolgsfaktor für Unternehmen ist es, die Fähigkeiten der Älteren und der Jüngeren zusammenzubringen. Die einen sind – in der Regel – in der analogen Welt besser, die anderen in der digitalen. Eine Kombination bringt beide Seiten und das Unternehmen voran.
Michael Hampel, geboren 1967 in Nürnberg, lebt seit 1971 in Bayreuth. Nach seiner Ausbildung zum Industriekaufmann absolvierte er weitere Ausbildungen zum Industriefachwirt (IHK) und zum Betriebswirt (IHK) sowie ein vierjähriges Studium zum European Certified Psychotherapist. Hampel ist zertifizierter Tiefenpsychologischer Berater und Coach, Konfliktmediator, Supervisor und Mentaltrainer Sport mit B-Lizenz (DOSB). Jahrelang sammelte er in Unternehmen Erfahrung als Verkäufer und als Verkaufsleiter, ehe er 1999 seine eigene Beratungsfirma gründete. Bis heute hat er den Angaben zufolge bereits über 1000 Firmen, mehr als 300 Unternehmer und über 2500 Führungskräfte bei der Verbesserung ihrer Führungsarbeit unterstützt. Aktuell ist sein Buch „Fachkräftemangel haben die anderen“ auf den Markt gekommen.